Verdichtung verändert Städte

In den fünf grössten Schweizer Agglomerationen schreitet die bauliche Verdichtung voran. Auf Industriebrachen und durch Ersatzneubauten entstehen neue Wohnungen, oft zulasten einkommensschwächerer Haushalte. Eine aktuelle ETH-Studie zeigt, wie sich der Wohnungsmarkt in Basel, Bern, Genf, Lausanne und Zürich in den letzten Jahren verändert hat und welche sozialen Spannungen dabei entstehen.
Die Studie «Bautätigkeit und Verdrängung», erstellt von der ETH Zürich im Auftrag des Bundesamts für Wohnungswesen zeigt, dass in den letzten zwei Jahrzehnten ist die Siedlungsentwicklung in der Schweiz klar nach innen gerichtet ist. Vor allem durch Ersatzneubauten und Umnutzungen von Industrie- und Gewerbezonen entstehen in städtischen Gebieten neue Wohnungen und nicht mehr auf der grünen Wiese. In Städten wie Basel wurde ein Viertel der neuen Wohnungen auf ehemaligen Industrieflächen realisiert.
Mehr Wohnungen trotz weniger Neubauten
Obwohl die Anzahl neu gebauter Wohnhäuser leicht rückläufig ist, nimmt die Nettozahl an Wohnungen weiter zu. Der Grund liegt in der Effizienz der Verdichtung. In Basel, Genf und Lausanne entstehen pro abgerissene Wohnung bis zu doppelt so viele neue Einheiten wie in Bern oder Zürich. Die Nachverdichtung wird so zum zentralen Hebel für die Wohnraumschaffung in stark besiedelten Gebieten.
Wer wird verdrängt?
Die Schattenseite der Verdichtung zeigt sich in der sozialen Zusammensetzung der betroffenen Quartiere. Besonders in Zürich kommt es häufiger vor, dass Langzeitmietende aufgrund von Abbruch oder Totalsanierung ihre Wohnung verlieren. Wer ausziehen muss, hat oft ein deutlich tieferes Einkommen, bis zu 40 Prozent weniger als der Durchschnitt. In den Neubauten ziehen dagegen überdurchschnittlich einkommensstarke Haushalte ein.
Migration und Einkommen als Risikofaktor
Die Studie offenbart auch strukturelle Benachteiligung. Überdurchschnittlich häufig von Verdrängung betroffen sind Asylsuchende, Flüchtlinge und Menschen mit afrikanischem Geburtsland. Damit trifft die bauliche Verdichtung besonders jene, die am meisten auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind und diesen in der gleichen Gemeinde oft nicht mehr finden. Trotzdem gelingt es einem beachtlichen Anteil der Betroffenen bis zu 64 Prozent, innerhalb ihrer Gemeinde zu bleiben.
Städte im Wandel – sozial ausgewogen?
Die Verdichtung ist aus raumplanerischer Sicht sinnvoll und notwendig. Doch sie verändert nicht nur das Stadtbild, sondern auch die soziale Struktur der Quartiere. Die Herausforderung der nächsten Jahre wird sein, den Wandel so zu gestalten, dass er nicht zur sozialen Spaltung führt, sondern zu durchmischten, resilienten Städten mit Wohnraum für alle.