Präzises Timing für perfekte Dünnschichten

Empa-Forschende haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sich piezoelektrische Dünnschichten erstmals in hoher Qualität und bei niedrigen Temperaturen auf isolierenden Substraten herstellen lassen. Dieses neue Verfahren – SFP-HiPIMS genannt – eröffnet entscheidende Perspektiven für die Halbleiterindustrie, Quanten- und Photonik-Technologien. Das Timing der Prozesse ist dabei der Schlüssel zu einem Durchbruch, der bisherige technische Grenzen überwindet.
Piezoelektrische Dünnschichten sind unverzichtbare Bestandteile in einer Vielzahl elektronischer Anwendungen. Sie kommen in Frequenzfiltern, Sensoren, Aktoren und in winzigen Energiewandlern zum Einsatz. Ihre Fähigkeit, elektrische Spannung in mechanische Bewegung umzuwandeln und umgekehrt, macht sie zu einem zentralen Baustein moderner Kommunikationstechnik. Doch die Herstellung dieser hochsensiblen Schichten ist eine komplexe Angelegenheit. Ihre Qualität entscheidet über die Leistungsfähigkeit und Langlebigkeit der Endprodukte.
HiPIMS Verfahren mit neuen Möglichkeiten
Das High Power Impulse Magnetron Sputtering (HiPIMS) ist ein bekanntes Verfahren zur Beschichtung von Substraten mit hochdichten Schichten. Dabei werden im Vakuumkammer-Umfeld energiereiche Pulse erzeugt, die Atome aus dem Target-Material herausschlagen. Diese Atome lagern sich als Dünnschicht auf dem Substrat ab. Für piezoelektrische Anwendungen, wie zum Beispiel Aluminiumnitrid-Schichten, bot das Verfahren bislang aber keine optimale Lösung. Denn zusammen mit den gewünschten Target-Ionen gelangen auch Argon-Ionen aus dem Prozessgas auf das Substrat, was zu unerwünschten Einschlüssen führt.
Argon-Einschlüsse vermeiden
Argon, ein übliches Prozessgas im Magnetron-Sputtering, ist chemisch inaktiv, aber es kann in Form von Einschlüssen in den Schichten verbleiben. Bei piezoelektrischen Schichten ist dies problematisch, da diese unter hohen elektrischen Spannungen betrieben werden. Selbst geringe Mengen an Argon führen zu einem elektrischen Breakdown und gefährden die Funktionsfähigkeit der Bauteile. In der klassischen HiPIMS-Prozessführung ist es jedoch schwierig, die Argon-Ionen zu eliminieren, da sie gleichzeitig mit den Target-Ionen auf das Substrat treffen.
Timing als entscheidender Faktor
Unter der Leitung von Sebastian Siol hat das Team um Doktorand Jyotish Patidar ein präzises Timing entwickelt, um nur die Target-Ionen gezielt zu beschleunigen und Argon-Einschlüsse zu vermeiden. Da die Argon-Ionen schneller sind und zuerst am Substrat eintreffen, wird die Beschleunigungsspannung am Substrat verzögert angelegt. Zu diesem Zeitpunkt sind die Argon-Ionen bereits vorbeigeflogen und können nicht mehr in die wachsende Schicht eindringen. Dadurch entstehen piezoelektrische Schichten von herausragender Qualität, die bisher mit HiPIMS nicht möglich waren.
Ein neuer Standard für sensible Substrate
Dieses innovative Verfahren nennen die Forschenden «Synchronized Floating Potential HiPIMS». Besonders bemerkenswert ist dabei die Möglichkeit, Schichten auf nicht leitenden Substraten wie Glas oder Saphir zu erzeugen. Normalerweise können auf solchen Substraten keine elektrischen Felder zur Ionenkontrolle angelegt werden. Durch die Nutzung der sogenannten «Elektronendusche», die mit dem Magnetron-Puls erzeugt wird, können dennoch Ionen im richtigen Moment beschleunigt werden. Dabei wird das Substrat kurzfristig negativ geladen, sodass die gewünschten Ionen gezielt eingebracht werden.
Praxisrelevanz für Halbleiter- und Quantentechnologien
Niedrigere Prozesstemperaturen schonen die empfindlichen Bauteile in der Halbleiterfertigung und ermöglichen die Beschichtung temperaturempfindlicher Komponenten. Gleichzeitig wird eine hohe Schichtdichte und damit verbundene Widerstandsfähigkeit erreicht, was für eine lange Lebensdauer der Bauteile entscheidend ist. Die Möglichkeit, Schichten auf isolierenden Substraten abzuscheiden, eröffnet zudem ganz neue Anwendungen in der Photonik und bei Quantentechnologien, die bisherige Methoden nicht leisten konnten.
Kooperationen und nächste Schritte
Das Empa-Team ist mit diesen Erfolgen nicht am Ende der Forschung angelangt. Bereits jetzt arbeitet die Gruppe an der Optimierung des Prozesses mit maschinellem Lernen und Hochdurchsatz-Experimenten. Parallel dazu werden Kooperationen mit anderen Forschungsinstitutionen und industriellen Partnern aufgebaut, um die Technologie in die Anwendung zu bringen. Die Forschung an ferroelektrischen Dünnschichten, die ähnliche Herausforderungen an die Präzision und Materialreinheit stellen, ist bereits im Gang.