Eigenmietwert adieu

Die Schweiz hat die Weichen für einen grundlegenden Wandel im Umgang mit dem Eigenmietwert gestellt. Immobilienbesitzer, aber auch Steuerpflichtige ohne Immobilien stehen vor neuen Herausforderungen und Möglichkeiten. Welche Auswirkungen hat die Reform auf Steuern, Marktwerte und individuelle Finanzplanung?

September 2025

Die Annahme der Vorlage zur kantonalen Liegenschaftssteuer für Zweitwohnungen markiert das Ende des Eigenmietwerts. Der Wechsel greift aber frühestens in zwei bis drei Jahren und wird den Alltag vieler Betroffener grundlegend verändern. Nicht nur Besitzer von selbstgenutzten und vermieteten Immobilien merken die Auswirkungen, sondern auch Haushalte mit Schulden ohne Immobilienbesitz.

Vereinfachungen und Ausnahmen
Mit dem Wegfall des Eigenmietwerts werden auch die Unterhaltskosten und Schuldzinsen nicht mehr steuerlich abziehbar. Um den Erwerb von Wohneigentum dennoch zu erleichtern, gelten für die ersten zehn Jahre nach dem Kauf Sonderregeln. Schuldzinsen bis zu CHF 10’000 bei Ehepaaren und CHF 5’000 bei Alleinstehenden sind noch abziehbar, der verbleibende Maximalbetrag sinkt pro Jahr um zehn Prozent.

Die Steuerdeklaration wird einfacher, die Steuerlast für viele Eigenheimbesitzer sinkt im aktuellen Zinsumfeld. Werterhaltende und wertvermehrende Kosten sollten sauber dokumentiert werden, da sie künftig nur noch bei der Grundstückgewinnsteuer, also beim Verkauf, geltend gemacht werden können.

Mehr Einschränkungen beim Schuldzinsabzug
Eigentümerinnen und Eigentümer von Renditeobjekten trifft die Reform besonders. Schuldzinsen können neu nur noch anteilsmässig gemäss dem Wert der Immobilie zum Gesamtvermögen abgezogen werden. Das erhöht die Steuerbelastung und schränkt die bisherigen Vorteile deutlich ein.

Steuerpflichtige ohne Liegenschaften
Auch Haushalte ohne Immobilien sind betroffen. Private Schuldzinsen, zum Beispiel für Darlehen oder Kleinkredite, dürfen künftig nicht mehr steuermindernd verrechnet werden. Das stellt die bisherige Praxis auf den Kopf und kann zu höheren Steuerzahlungen führen.

Unsicherheiten und kantonale Kompetenz
Die Kantone erhalten die Möglichkeit, eine besondere Liegenschaftssteuer auf Zweitwohnungen zu erheben. Besonders für tourismusstarke Regionen ist dies ein heikles Thema, da neue Steuern die Attraktivität des Marktes beeinflussen können. Wie die konkreten Bemessungsgrundlagen aussehen und welche Kantone die neuen Möglichkeiten nutzen, bleibt offen.

Bis 2050 können die Kantone weiterhin temporäre Abzüge für energetische Sanierungen und Umweltschutzmassnahmen erlauben. Welche Kantone dies anbieten, ist aktuell noch nicht bekannt.

Strategien für Hypotheken und Investitionen
Die Reform beeinflusst nicht nur die Steuerquote, sondern auch die persönliche Finanzstrategie. Die Frage, wie hoch Hypotheken künftig angesetzt werden und ob Amortisationen sinnvoll sind, gewinnt an Bedeutung. Wer Kapital für eine Amortisation nutzt, bindet es in der Immobilie und verliert Liquidität für andere Zwecke wie Altersvorsorge oder neue Investitionen. Die Entscheidung über die optimale Finanzierung verlangt deshalb eine individuelle Betrachtung.

Auswirkungen auf den Immobilienmarkt
Ob die Reform die Preise beeinflusst, hängt vor allem von der Situation neuer Käufer ab, die mehrheitlich hoch belehnt sind. Laut Statistik der SNB sind 40 Prozent der neu gekauften Eigenheime mit über 74 Prozent des Werts finanziert. Gerade ältere Immobilien verlieren durch die eingeschränkten Abzugsmöglichkeiten weiter an steuerlichen Vorteilen. Neue Eigentumswohnungen im Kanton Zürich sind durchschnittlich 20 Jahre alt, Einfamilienhäuser sogar rund 50 Jahre. Die grundsätzlichen Herausforderungen, hohe Preise und knappe Mittel beim Erwerb, bleiben durch die Reform ungelöst.

Die Abschaffung des Eigenmietwerts fördert den Preisunterschied zwischen Neubauten und älteren Immobilien. Zweitliegenschaften werden durch die neue Liegenschaftssteuer vermutlich weniger attraktiv, dennoch erwarten Experten keine Preisrückgänge bei Ferienwohnungen, zu gross ist die Angebotsknappheit.

Die Preise für Schweizer Eigenheime könnten dieses Jahr und im kommenden Jahr um jeweils 4 Prozent steigen, im Kanton Zürich sogar um 4,5 Prozent. Sanierung und Werterhalt alter Gebäude werden wichtiger denn je, nicht jede Investition zahlt sich jedoch aus. Hauseigentümer müssen ein scharfes Auge auf die langfristige Strategie richten: Lohnt die Sanierung oder steht ein Ersatzneubau bevor?

Reform als Gemeinschaftsprojekt
Die Neuerungen beruhen auf einer engen Verknüpfung von Gesetzes- und Verfassungsänderung. Die Abschaffung des Eigenmietwerts tritt nur in Kraft, wenn die Volksabstimmung über die neue Liegenschaftssteuer auf Zweitwohnungen erfolgreich ist. Das Parlament diskutierte über Monate intensiv über Reichweite und Ausgestaltung. Besonders in Tourismuskantonen ist die Skepsis gross, ob Mindereinnahmen durch neue Steuern ausgeglichen werden können. Die Gesetze treten gemeinsam in Kraft, eine Reform mit vielen Facetten.

Steuerliche und finanzielle Auswirkungen im Überblick
Das Hypothekarzinsniveau entscheidet, ob Eigentümer profitieren. Bei tiefen Zinsen sinkt die Steuerlast für die Mehrheit. Bei hohen Zinsen steigen die Steuern, weil Schuldzinsen kaum mehr abgezogen werden können. Für die öffentliche Hand könnte die Reform Mindereinnahmen von 1,8 Milliarden Franken verursachen. Ab 3 Prozent Hypothekarzins sind gesamtstaatlich hingegen Mehreinnahmen möglich. Die tatsächlichen Auswirkungen bleiben wegen verschiedener Unsicherheiten vorerst offen.

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