CBRE Zukunftsbilder

Dezember 2019

Nachfragetrends 2030: Die Berücksichtigung von Standortkriterien aus Nutzerperspektive als Erfolgsfaktor für die Vermarktung von Arealentwicklungen.

Zwischen allen immobilienwirtschaftlichen Akteuren besticht der Konsens, dass der Nutzer und dessen Nachfrage zent­rales Element bei der Entwicklung von Immobilienprojekten darstellt. Vor allem im Hinblick auf mittel- und langfristig zu planende Arealentwicklungen, die aufgrund ihrer Grösse und häufig nicht am knappen Gut der A-Lagen realisiert werden, ist die vorausschauende Perspektive sowie das Treffen zahlreicher Annahmen, wie sich die Nutzeranforderungen über die Zeit am Nachfragemarkt gestalten, unerlässlich. Gleichwohl zeigen die immobilienwirtschaftliche Forschung und Praxis, dass die Nachfrageseite noch immer die grosse, unbekannte Variable am Immobilienmarkt darstellt. Einfache Nutzerbefragungen, die den groben Status quo überblickshaft abbilden, sind bekannt. Im Hinblick auf den mittel- bis langfristigen Planungshorizont von Arealentwicklungen stehen diese vorliegenden Momentaufnahmen auf einem eher dünnen Fundament.

Die Betrachtung der Grossunternehmen als Ankermieter einerseits und wertvoller Inkubator für Belebung andererseits ist für Arealentwicklungen von Relevanz. Ein Fokus am Büroangebotsmarkt liegt generell in der kontinuierlichen Beobachtung der Bewegungen und Nachfragetreiber
arbeitsplatzintensiver Grossunternehmen. Die hohe Dynamik der auch für den Schweizer Immobilienmarkt bedeutenden Nutzersegmente der Banken- und Finanz- sowie der Informations- und Kommunikationstechnologie-Branche (IKT) haben in den letzten Jahren starke Bewegungen, was ihre Flächennutzungen und Objektstrategien betrifft, aufgewiesen. Insbesondere vor dem Hintergrund des technologischen Fortschritts – der Digitalisierung – wird innerhalb der Banken- und Finanzunternehmen mit einer stark spürbaren Reduktion von Arbeitsplätzen gerechnet, der IKT-Branche tendenziell grosses Wachstum durch ihre (vermuteten) Wettbewerbsvorteile im Zuge der Digitalisierung der Arbeitsplatzwelten und weiterer für die Immobilienbranche relevanter Technologien suggeriert. Festzustellen ist, dass die Schnelllebigkeit in einem Arbeitsumfeld, das durch den Wandel infolge des technologischen Fortschritts geprägt ist, von den Unternehmen eine zunehmende Agilität erfordert, die ihrerseits zu einem Bedürfnis nach flexibleren Angeboten an Büroflächen führt. Klar ist, die Nachfrage und Anforderungen an Büroimmobilien der Zukunft werden sich auf unterschiedlichen Ebenen und in vielschichten Ausprägungen entwickeln. Welche Rahmenbedingungen müssen in der Planung berücksichtigt werden, damit sich die Zielgruppen für den jeweiligen Standort, das konkrete Areal, entscheiden? Und welchen Einfluss hat die vieldiskutierte «Digitalisierung» auf die Treiber der Nachfrage? – vgl. Abb. 1. Gehen wir basierend auf einer aktuellen Studie1 von folgenden, möglichen Zukunftsbildern der Büroflächennachfrage von Grossunternehmen der Branchen IKT und Finanzen und von einer mittelfristigen, prospektiven Betrachtung für 2030 aus:

Der sichere Planungshorizont für die Entwicklung des Büroflächenbedarfs bewegt sich heute zwischen 1 und 3 Jahren. Erkennbar ist die Kongruenz betreffend des Zeithorizonts bei der Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben. Die Prognoseunsicherheit, die eigene Unternehmensentwicklung betreffend, eint die Unternehmen und Branchen. Diese Unsicherheit wird sich in Kombination mit auf Unternehmensebene geforderter Agilität in Zukunft verstärkt auf die Angebotsseite am Immobilienmarkt im Sinne von strategischen Handlungsoptionen in immer kürzeren zeitlichen Etappen übertragen, sobald die (vertragliche) Möglichkeit hierfür besteht.

Die quantitative Nachfrage von Büroflächen der Finanzbranche wird auf Basis der Annahme der eigenen Unternehmensentwicklung (Arbeitsplatzentwicklung, Bedarf Bürofläche in m2) bis zu 35 % abnehmen. Die IKT-Unternehmen werden sich – u.a. auch abhängig vom Innovations- und Digitalisierungsgrad – in einer Spannbreite von mehrheitlich –25 % bis +50 % die Büroflächennachfrage betreffend im Vergleich zu 2018 entwickeln. Der Büroflächenbedarf pro Mitarbeiter (m2 / MA) wird sich innerhalb beider Branchen auf angestrebte ca. 9 – 10 m2 / MA reduzieren.

Durch Digitalisierungseffekte und -tools sieht das Corporate Real Estate Management (CREM) ein Flächeneinsparungspotenzial von bis zu 30  % bzw. ein CREM-relevantes Kosteneinsparungspotenzial bei bis zu ca. 25  %. Digitalisierung / Daten / Tools sind bis 2030 entscheidende Hebel, um vielschichtige CREM-Ziele zu realisieren und zu optimieren – z.B. Finanzkennzahlen, Portfolio- und Objektstrategien oder auch die Nutzungsintensität der Flächen.

Während die Auslagerung an externe, zeitlich flexibel nutzbare Büroflächenangebote (z.B. für Projektarbeit, Standorte von geringerer strategischer Bedeutung) in 2018 bei ca. 5 % lag, wird die Nutzung flexibler Angebote mehrheitlich ca. 15 %, vereinzelt bis zu 50 % des Büroflächenportfolios in 2030 betreffen.

Dieser Auszug endogener Faktoren der internen Unternehmensentwicklung mit vermutlich starkem Einfluss auf die Flächennachfrage, belegt die Transformationsbestrebungen, der Grossunternehmen in punkto Büroflächenallokation und CREM-Management. Gleichwohl können diese möglichen Entwicklungsszenarien nur teilweise durch den Angebotsmarkt beeinflusst werden. Daher empfiehlt sich, das Augenmerk auf qualitative Kriterien und den Trends der Nachfrage zu richten, die im Einflussbereich der Planerkonsortien und Eigentümer / Vermieter sind und im Standortwettbewerb genutzt werden können.

Der qualitative Zukunftsblick zeigt ein homogenes Bild die Nachfragetreiber von Standortkriterien betreffend: Das Lagerkriterium wird nach wir vor mit sehr starkem Einfluss auf Standortentscheide bewertet. Diese treibende Kraft der Nachfrage ist bis 2030 unter anderem mit weiteren vier Schlüsselfaktoren zu ergänzen:

Daten (gleich Wissen): Das Rückgrat der Digitalisierung zeigt sich als vielschichtiger Hebel und erfolgskritische Determinante für sämtliche Kennzahlen des CREM. Bis 2030 erwarten die Nutzer eine umfassend digitalisierte Gebäudeinfrastruktur als Standard. Zum Beispiel durch Implementierung technischer Komponenten, sowohl die Gebäudestrukturen als auch die Nutzung / den Betrieb betreffend, um die Ziele und Anforderungen der Nutzer zu unterstützen. Anforderungen an die Standort-Konnektivität werden analog zum zunehmenden Datenaufkommen und -transfer steigen.

Flexibilität und Agilität werden seitens der Nutzer auf sämtlichen Ebenen gefordert. Dies spiegelt sich in der Präferenz von Campus-Angeboten mit gemeinsamen und flexibel nutzbaren Services wider. Modularität im Sinne der einfachen Adaptierbarkeit von Büro-Raumeinheiten durch den Nutzer, Standardisierung von Büroausbauten (eine An- und Herausforderung auch für die Unternehmen selbst) sowie der Einbau von Realoptionen können sowohl die Wiedervermietung bei Mieterwechsel sowie die Drittverwertbarkeit für andere Nutzungen optimieren.

Know-how und Talente: Die junge, digitalisierte Mitarbeitergeneration zeigt Bereitschaft, längere Arbeitswege in Kauf zu nehmen, wenn das Image des Unternehmens, der Unternehmensstandort insgesamt sowie die Unternehmenskultur als attraktiv bewertet werden. Auch die Unternehmen selbst sind in Zukunft wieder verstärkt bestrebt, das Arbeiten im Büro durch Well-being, Kollaboration und Innovation im Zuge der Gestaltung der Bürolandschaft zu fördern. Die Möglichkeit der Verschmelzung von Arbeiten, Wohnen, Erholung und Entertainment / Freizeit am Areal wird vermutlich in Zukunft seitens der Unternehmen (noch) höher bewertet werden.

Nachhaltigkeit: Green Buildings – vor dem Hintergrund des Leitgedankens eines nachhaltigen und ressourceneffizienten Lebenszyklus, Green Leases, die entsprechende Vereinbarungen zwischen Vermieter und Nutzer bereits im Mietvertrag regeln; sowie grüne Mobilität werden bis 2030 als Standortkriterien an Bedeutung gewinnen. Flexibilität und Daten werden die ökonomische wie ökologische Nutzung u.a. in punkto Flächeneffizienz bzw. Nutzungsintensität / Auslastung als Aspekte nachhaltiger Büroinfrastruktur massgeblich unterstützen.

Die Eröffnung folgender Fragestellungen zur weiterführenden Diskussion scheint auf Basis dieser Erkenntnisse legitim: Können und sollen Schlüsselfaktoren der Nachfrage in zukunftsfähige (Zahlungs-)Modelle und Formeln integriert werden? Sind bestehende Prognosemodelle und -formeln zur Ermittlung der Büroflächennachfrage zukunftsfähig? Nähern sich Grossunternehmen unter dem Einfluss der Determinanten Agilität und Flexibilität und der dynamischen Entwicklung von Arbeitsmodellen dem qualitativen Nachfragebedarf und dem Verhalten der Klein- und Mittelunternehmungen an?

Auch Unsicherheit und Dynamik ob der zukünftigen Anforderungen der Nutzer kollidieren mit der traditionell langfristigen Planung der Immobilieninfrastruktur. Somit lohnt sich der vertiefte Blick in die Analyse zukünftiger Nutzerbedürfnisse. Der Einbezug von Vermarktungswissen – durch ein gebündeltes Verständnis für die Nachfragetrends der Nutzer, Kenntnis übergeordneter strategischer Kriterien bis hin zu konkreten Empfehlungen für vermietbare Projektplanungen bereits im frühen Planungsprozess – ist insbesondere für B- und C-Lagen entscheidend für die langfristige Wertschöpfung und Drittverwertbarkeit. Eine vielfältige Nutzungsdurchmischung für belebte Areale ist als Positionierung / Kommunikationsansatz nicht ausreichend. Vision, Kommunikation und Kenntnis über zukünftige Treiber der Nachfrage sowie die Realisierung / das tatsächliche Angebot von Schlüsselfaktoren für Standortkriterien aus Nutzerpersp­ektive sind erfolgskritische Determinanten für zukünftige Immobilienprodukte und Arealentwicklungen. ■

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