CUREM Online-Panel: Die Schweiz im «perfekten Sturm»

Zürich, März 2020

815 Interessierte verfolgten das hochkarätig besetzte Online-Panel des Center for Urban & Real Estate Mangement (Curem) der Universität Zürich. Und soviel vorweg: Die Meinungen gehen auseinander, wenn Praktiker auf Theoretiker treffen. Aber letztlich verbesserte sich die kollektive Intelligenz.

Erstmals in seiner Geschichte nimmt Curem unter seinem Managing Director Andreas Loepfe zu einer Tagesaktualität Stellung. So stehen für einmal nicht langfristige Themen wie etwa das Real Estate Management im Fokus, sondern das Corona-Virus, das sich rasend schnell verbreiten und noch schnellere Entscheidungen abverlangt. Rolf Frey, Leiter Indirekte Immobilien, Maerki Baumann und Co. AG, verdeutlichte dies anhand der Nachfrage nach Dividendentiteln: «Vor Corona war die Nachfrage gross. Man musste investieren. Dann jedoch brach der Markt zusammen. Viele Leute brauchten Geld und mussten verkaufen. Viele Immobilientitel waren überbewertet. Teilweise wurden 500’000 Titel pro Tag gehandelt. Dieser Verkaufsdruck führte zu Kurseinbrüchen.»

Dreigeteilter CH-Markt
Jan Eckert, CEO Switzerland von Jones Lang LaSalle Ltd, erzählte von einem Hongkong-Kollegen, der 16 Wochen Home-Office hinter sich hat: «Und es funktioniert recht gut.» Seine Beobachtung: «Alle grossen Vermietungsverhandlungen ab 5’000 Quadratmetern laufen weiter. Bei kleineren Deals warten man ab. Einzig direkt von Corona betroffene Unternehmen wie Airlines oder Hotels verzichten ganz auf neue Flächen. Aktuell würde «der berühmteste Makler der Nation» Jan Eckert, den Markt dreiteilen: Es läuft weiter wie bisher (I), rigoroses Repricing (II) und gestoppte Deals (III).

Zurückhaltende Käuferschaft
Claude Ginesta, CEO und Inhaber von Ginesta Immobilien AG, zeigt die Wirkung der aktuellen Situation bei private Immobilienanlagen: «Viele Kunden sind bereit, ihre Zusagen aufrechtzuerhalten. Wir sehen aber auch, dass nur wenige neue Liegenschaften auf den Markt kommen. Viele Investoren hoffen auf einen günstigeren Kaufpreis in den nächsten Monaten. Verkäufer vertrauen dagegen weiter auf die noch immer starke Immobilien-Währungen. Die Käufer halten sich aber ganz klar zurück. Entwicklungsprognosen sind daher im Moment schwierig.»

Bitte kein Ausgangsverbot!
Für Béatrice Schaeppi, CEO von Schaeppi Grundstücke Verwaltungen AG, hat sich die Lage massiv verändert: «Wir haben einen gewaltigen Mehraufwand, da vieles neu geregelt werden muss. Die anstehenden Wohnungswechsel Ende dieses Monats können jedoch weitgehend durchgeführt werden. Die Mieter sind durch immer wieder neue Weisungen des BAG etwas verunsichert. Es läuft aber im Allgemeinen sehr gut. Bei der Wohnungsübergabe wird Abstand gehalten, wir tragen Handschuhe, sicher gibt es einige Mieter die nicht anwesend sein wollen, was den administrativen Aufwand massiv erhöht. Ein Ausgangsverbot würde uns momentan massiv treffen. So suchen wir täglich nach neuen kreativen Lösungen.»

Stabiles Zins-Niveau
Dr. Stefan A. Heitmann, Founder & CEO von MoneyPark AG, spricht puncto Hypothekargeschäft von einem sehr volatilen Kapitalmarkt, aber kaum veränderten Prognosen: «Die Hypothekarzinsen bleiben attraktiv. Sie sind zwar kürzlich gestiegen, dann gab es eine Gegenbewegung dank FED-Massnahmen. Die Swap-Sätze (Refinanzierungssatz für Banken; Anm. d. Red.) sind im Jahresvergleich auf einem tiefen Niveau. Wir verändern unsere Prognose aktuell nicht gross, da der Schweizer Hypothekarmarkt stark reguliert, gesund und tief belegt ist. Wenn keine lange Rezession stattfindet, erwarten wir eine Delle in unserem strukturell gesunden Markt.»

Stabil, aber …
«Die Schweizer Volkswirtschaft ist einem «perfekten Sturm» ausgesetzt», sagt Dr. Adriel Jost, Head of Economics bei Wellershoff & Partners. Er vergleicht sie mit einem stabil gebauten Haus. «International sind dagegen viele Häuser nur notdürftig reparierte. Die internationale Unternehmens- und Staatsverschuldung ist gigantisch – siehe etwa die USA. So gesehen war die Schweiz während der letzten 10 Jahre sehr verwöhnt. Durch die kritische Weltwirtschaftslage wird sich zeigen wie gesund und sicher die Banken wirklich sind.»

Blosse Symptom-Bekämpfung
Prof. Dr. Thorsten Hens, Professor für Finanzmarktökonomie an der Universität Zürich, verweist auf die Historie der Aktienmärkte, die immer wieder von Abstürzen gekennzeichnet war. «Viele Staaten haben via ihre Nationalbanken massive Hilfsprogramme gestartet. Die eingepumpte Liquidität kann jedoch nur die Symptome bekämpft, nicht das effektive Problem. Wir vermuten, dass wir nicht aus der Finanzkrise der 30iger Jahre lernen können, da sich die Märkte insgesamt nicht schnell genug erholen. Es ist zu erwarten, dass wir in eine Rezession gleiten. Oder anders gesagt: Nicht ganz freie Gesellschaften kommen mit einer Corona-Krise besser zurecht, weil man die Leute zwingen kann. Die Leute wollen aus der Finanzkrise lernen, aber die Corona-Krise wiegt stärker und langfristiger.»

Frosch- statt Vogelperspektive
Dr. Dr. Urs Hausmann, Inhaber von Dr. Urs Hausmann Strategieberatung, fasst abschliessend einige Gedanken seiner Vorredner zusammen und sagt: «Die Schweiz hat eine gute Ausgangslage. Aber es herrscht ein Mangel an Marktinformationen. Wir argumentieren alle aus der Frosch-Perspektive und es ist höchst schwierig, eine Vogelperspektive einzunehmen. Momentan ist eine akkurate Marktanalyse sehr schwierig. Der Immobilienmarkt ist spät-zyklisch und sehr träge. Jetzt ist ein professionelles Risikomanagement bedeutend, um sich auf das Schlimmste vorzubereiten».

Es bleibt spannend
Zusammenfassend lässt sich sagen, das Alte ist aus den Fugen geraten und das Neue noch nicht da. Die Asset-Märkte werden noch von der alten Welt dominiert. Wir wissen heute nicht wie die Banken global reagieren. So gesehen sind Prognosen schwierig und die Meinungen gehen weit auseinander. Es bleibt spannend und wir bleiben dran. (MnM)

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