Der Kantonsbaumeister als Brückenbauer

Solothurn, Juli 2021

Der Wechsel von der Privatwirtschaft zur öffentlichen Hand hat den Solothurner Kantonsbaumeister Guido Keune vor einige Herausforderungen gestellt. Mit welchen Veränderungen er sich in Zukunft beschäftigen wird und welche Werte das Hochbauamt bei den zu bearbeitenden Projekten vertritt, verrät er im Interview.

Sie sind seit 1. August 2019 Kantonsbaumeister und damit Chef des Hochbauamts. Was waren Ihre Beweggründe, diesen Posten zu übernehmen?
Ich war zuvor bereits mehrere Jahre als Stellvertreter des früheren Kantonsbaumeisters tätig. So erhielt ich einen guten Einblick in das Aufgabengebiet. Mir gefällt die Interaktion zwischen den verschiedenen Playern aus Politik, Privatwirtschaft und öffentlicher Hand. Dabei nehme ich gerne die Rolle des «Dolmetschers» zwischen den Parteien wahr und versuche, Lösungen im Konsens zu finden. Die zu bearbeitenden Planungen und Projekte sind spannend und oft auch aussergewöhnlich. Wir kümmern uns hauptsächlich um Bauwerke mit speziellen beziehungsweise spezifischen Nutzungen.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
Eine Eigenschaft, die alle unsere Mitarbeitenden mitbringen müssen, ist die Fähigkeit zum Multitasking (lacht). Ich beschäftige mich mit Personalfragen, Budgetplanungen und versuche mit meinem Team, möglichst vorausschauend zu denken: Welche Anforderungen müssen Gebäude in Zukunft erfüllen? Ebenso befasse ich mich mit innovativen Technologien wie neuen digitalen Planungslandschaften, den zunehmenden Automationen in der Bauindustrie oder dem Einsatz von Robotik und 3D-Druckern.

Sie waren bis 2004 in der Privatwirtschaft tätig. Wie erleben Sie den Seitenwechsel?
Die Umstellung war vor allem zu Beginn gross. Der Kanton hat rund 2650 Mitarbeitende, davon sind 630 im Bau- und Justizdepartement. Hier bündelt sich ein enormes Knowhow. Ich musste mir zuerst bewusst werden, dass ich auf diese Kompetenzen zurückgreifen kann. Die Komplexität der Bauten – zum Beispiel eines Museum, einer Strafanstalt oder eines Spitals – sind in jeder Projektphase äusserst anspruchsvoll. Die Arbeit als Kantonsbaumeister ist thematisch auf jeden Fall vielfältig. Im Gegensatz zu früher bin ich heute in jeder Phase des Planungs- und Bauablaufs präsent.

Regierungsrat Roland Fürst hat den geplanten Verwaltungsneubau angesprochen. Wie sieht der Zeitplan aus?
Wir möchten bis Ende 2022 eine Entscheidungsgrundlage für den Regierungsrat schaffen und Möglichkeiten aufzeigen, wo im Kanton Solothurn geeignete Grundstücke oder Gebäude zur Verfügung stehen, um das Projekt umzusetzen. Die Coronapandemie wird sicherlich Auswirkungen auf die Raumbedürfnisse und Arbeitsweise haben. Wir sind derzeit daran, diese zu analysieren. Unsere Erkenntnisse werden bei einer möglichen Umsetzung des Projekts mit einfliessen.

Wie sieht das von Ihnen zu verwaltende Immobilien-Portfolio aus?
Es setzt sich aus Finanz-, Verwaltungs- und Stiftungsvermögen zusammen. Das Verwaltungsvermögen hat mit den betriebsnotwendigen Gebäuden den grössten Anteil. Aber auch im Finanzvermögen haben wir interessante Nutzungen und Gebäude: Zum Beispiel ein Hotel und verschiedene Restaurationsbetriebe wie auch Grundstücke, die für die Ansiedlung interessanter Unternehmen oder für den allfälligen Eigenbedarf zur Verfügung stehen. Wir verzeichnen 320 kantonseigene Gebäude, 60 davon befinden sich in der Stadt Solothurn. Der Zweck unserer Immobilienstrategie ist die Sicherstellung eines nutzungsgerechten und nachhaltigen Immobilienbestandes für die Erfüllung der kantonalen Aufgaben.

Welches sind wertmässig die grössten Posten im Portfolio?
Der Gebäudeversicherungswert beläuft sich auf 1,628 Milliarden Franken. Davon fällt bis zur geplanten Übertragung an die Solothurner Spitäler AG je eine halbe Milliarde auf die Spital- und Bildungsbauten. Die übrigen Liegenschaften wie Verwaltungsgebäude oder Strafvollzugsanlagen machen die restlichen knapp 600 Millionen Franken aus. Auf jeden Fall hatte ich noch nie zuvor mit einem so heterogenen Portfolio zu tun: Es reicht von unterirdischen historischen militärischen Anlagen über Ruinen, Schlösser, Kirchen bis hin zu Landwirtschaftsland und hochmodernen Labor- und Spitalgebäuden.

«Den Einsatz von BIM prüfen wir von Fall zu Fall»

Welche Werte vertritt das Hochbauamt bei den zu bearbeitenden Projekten?
Der Regierungsrat hat eine Strategie formuliert, die zum einen Eigentum vor Miete vorsieht. Wir hatten und haben auch heute noch viele Mietobjekte. Nun möchte man wieder vermehrt auf Eigentum setzen. Deshalb beschäftigen wir uns zurzeit auch mit einem möglichen zentralen Verwaltungsneubau. Zudem steht das Gesamtkonzept vor Einzelmassnahmen. Im Weiteren liegen uns raumplanerische-, städtebauliche- und architektonische Aspekte sehr am Herzen. Genauso wie ökologische und energetische Themen. Letztendlich bauen wir für uns Menschen.

Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich in Zukunft konfrontiert?
Covid-19 hat viel verändert. Dies könnte Auswirkungen auf die Gesellschaft und auf die Baubranche haben. Durch vermehrtes Homeoffice und Desk- sowie Roomsharing werden möglicherweise Nutzflächen an sehr attraktiven Lagen frei. Diese könnten anders genutzt werden und die Wohnungsknappheit in zahlreichen Klein- und Grossstädten der Schweiz beeinflussen. Auch die Klimaveränderungen in den Städten sind aktuelle Themen. Spannend ist die mögliche Verwendung von Recyclingmaterialien. Ebenso dürften mich Umnutzungen, neue Arbeitsweisen und veränderte Ansprüche von Arbeitgebern und Arbeitnehmern weiterhin beschäftigen. Ein zusätzlicher Punkt ist die sich abzeichnende Veränderung beim Abschluss von Dienstleistungs- und Werkverträgen, insbesondere auch beim Abschluss von Baurechtsverträgen.

Welche Energiestrategie verfolgt das Hochbauamt?
Die Installation von Photovoltaikanlagen ist für uns selbstverständlich. Wir haben das gesamte Portfolio auf die Tauglichkeit solcher Anlagen analysiert und diverse bereits realisiert. Bei uns ist Minergie bzw. Minergie-Eco Standard. Dieser hat in der Schweiz 1998 Fuss gefasst. Wir haben kürzlich den Energieverbrauch unserer Gebäude vor und nach 1998 verglichen: Die Gebäude vor der Einführung benötigen ca. dreimal so viel Heizenergie. Dafür verzeichnen wir bei den Gebäuden nach 1998 einen ca. zweimal höheren Stromverbrauch. Der Anteil an stromabhängigen Installationen generell und Betriebseinrichtungen im Speziellen haben in Neubauten stark zugenommen.

Wie sieht die Digitalisierungsstrategie bei neuen Bauvorhaben aus?
Bei aktuellen Bauprojekten – wie gerade jetzt beim geplanten Neubau des Zentralgefängnisses – beabsichtigen wir, Building Information Modeling (BIM) bei der gesamten Planungsphase einzusetzen. Vorerst prüfen wir den Nutzen von BIM von Fall zu Fall.

Könnten Sie sich vorstellen, in Zukunft mit Virtual Reality zu arbeiten?
Virtual Reality bringt grosse Vorteile – gerade für Menschen, die sich Modelle oder Visualisierungen nicht so plastisch vorstellen können. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir in den kommenden Jahren solche Lösungen einsetzen werden.

Welche Zukunftspläne haben Sie für das Hochbauamt?
Wir möchten weiterhin qualitativ hochstehende Bauten mit Weitsicht und Sorgfalt analysieren, planen und realisieren. Mit einem guten Team im Rücken wird dies auch in Zukunft möglich sein.

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