Aus Bürofläche werde Wohnfläche: Was es mit der Umnutzung auf sich hat.

Dezember 2022

Angesichts knappen Wohnraums in den Städten und zuweilen leerer Bürogebäude ist die Nutzungsänderung von Büros in Wohnraum eine naheliegende Schlussfolgerung. Welches Potenzial und welche Herausforderungen das mit sich bringt – die Credit Suisse über die Zukunftsfähigkeit von Umnutzungen ehemaliger Büroflächen.

Büroimmobilienmarkt im Wandel

Die durch die COVID-19-Pandemie stark beschleunigte Veränderung der Arbeitswelt setzt den Büroimmobilienmarkt unter Druck. Homeoffice- und Desk-Sharing-Konzepte reduzieren den Quadratmeterbedarf von Bürofläche pro Mitarbeiter. Obwohl dieser Trend langfristig durch Beschäftigungswachstum, Digitalisierung und Tertiärisierung sogar überkompensiert wird, rechnet die Credit Suisse wegen einer anhaltend verminderten Büropräsenz in vielen Unternehmen nach wie vor mit einer einmaligen Reduktion des Büroflächenbedarfs um rund 15 Prozent bis zirka 2026.

Homeoffice dominiert den Büromarkt kurz- bis mittelfristig
Quellen: Ecoplan, KPMG, Bundesamt für Statistik, Rutzer & Niggli, Credit Suisse
Letzter Datenpunkt: 2020

Vorübergehendes Zwischenhoch bei der Büroflächennachfrage

Vorübergehend verzeichnet die Nachfrage am Schweizer Büroflächenmarkt ein Zwischenhoch. Dieses entspringt Nachholeffekten wegen der COVID-19-Pandemie sowie einem starken Beschäftigungswachstum. Für 2022 dürfte der Zusatzbedarf insgesamt 840’000 m² beziffern – 2023 dürfte er sich dann aber auf einem klar tieferen Niveau von rund 295’000 m² einpendeln.

Wachsende Anforderungen an die Qualität der Büros

Hybride Arbeitsmodelle und die zunehmende Digitalisierung beeinflussen nicht nur den Flächenbedarf, sondern auch die Anforderungen an die Qualität dieser Flächen. Beispielsweise werden vermehrt gut gelegene und moderne Flächen nachgefragt, welche die Identifikation der Arbeitnehmenden mit dem Unternehmen stärken und je nach Bedürfnis flexibel genutzt werden können. Da konzentrierte Einzelarbeit vermehrt im Homeoffice stattfindet, wird das Büro als Kommunikations- und Austauschort noch wichtiger. Auch wenn die zyklische Büroflächennachfrage jüngst deutlich angezogen hat, führt der Wandel der Arbeitswelt so insbesondere bei Liegenschaften an schlechten Mikrolagen zu anhaltenden Leerständen. 

Zu viele Büros, zu wenige Wohnungen

Während viele Städte so eine erhöhte Anzahl leer stehender Büros verzeichnen, ist es bei den Wohnungen umgekehrt. Dementsprechend gewinnt die Frage, ob sich aus leeren Büros neue Wohnungen machen lassen, zunehmend an Bedeutung.

Leerstände bei Büros deutlich höher als bei Wohnungen
Quellen: Diverse regionale statistische Ämter, Bundesamt für Statistik, Credit Suisse
Letzter Datenpunkt: 06/2021

Gegenüber leeren Büroflächen bergen Umnutzungen wertvolles Potenzial:

  • Schaffung neuer Wohnräume
  • Beitrag zur Verdichtung der Innenstädte
  • Erhaltung der bestehenden Bausubstanz durch Umnutzung reduziert graue Energie
  • Senkung des Energieverbrauchs pro m² durch zeitgemässe energetische Standards

Mögliche Herausforderungen bei einer Umnutzung

Bei einem potenziellen Umnutzungsprojekt müssen jedoch sowohl rechtliche als auch bauliche und ökonomische Fragen geklärt werden. Ist eine Umnutzung zonenkonform? Diese Frage wird von Projektentwicklern als eine der Haupthürden für eine vermehrte Umnutzung von Bürogebäuden angegeben. Wenn ja, eignen sich Standort und Gebäude überhaupt für eine Nutzung? Dabei gibt es einige Herausforderungen im Zusammenhang mit Umnutzungen zu bedenken:

  • Viele Bürostandorte eignen sich wegen der Lärm- und Schadstoffbelastung nicht zum Wohnen.
  • Die umliegende Infrastruktur sollte zu einem Wohngebäude passen und beispielsweise Einkaufsmöglichkeiten sowie Freizeiteinrichtungen umfassen.
  • Die Konstruktionsweise muss eine Grundrissumgestaltung erlauben.
  • Da Wohnüberbauungen aus kleineren Einheiten bestehen als Bürokomplexe, erfordert die Erschliessung oftmals zusätzliche Treppenhäuser.
  • Der deutlichere Aussenbezug von Wohnungen im Vergleich zu Büros bedarf zudem Änderungen in der Belichtung oder des Anbaus von Balkonen und Loggien.
  • Durch zusätzlich benötigte Treppenhäuser, Aufzüge und Versorgungsschächte innerhalb des Gebäudekerns ist das Verhältnis von vermietbarer Fläche zur Brutto-Grundfläche bei Umnutzungen oftmals schlechter als im Ursprungsgebäude oder in Neubauten.

Was kostet eine Umwandlung von Bürofläche in Wohnungen?

Die nötigen baulichen Massnahmen, um eine Bürofläche in Wohnraum zu verwandeln, können hohe Kosten verursachen. Als Richtwert werden bei solchen Projekten oft rund 75 bis 80 Prozent der Neubaukosten angenommen. Es gibt jedoch Studien, die zeigen, dass die finanziellen Aufwendungen genauso hoch oder sogar höher sein können als bei vergleichbaren Neubauprojekten.

Aus Investorensicht sind die hohen Umbaukosten nicht per se ein Hindernis, sofern ausreichende Erträge mit dem Umbau erwirtschaftet werden können. Neben den objektspezifischen Umbaukosten zählen daher besonders die zu erwartenden Mieten und Leerstände der jeweiligen Segmente. Konkret gilt es abzuwägen, um wie viel niedriger der Leerstand und wie viel höher der Mietpreis pro m2 sein muss, um die mit dem Umbau verbundenen Kosten zu kompensieren und auf allenfalls geringerer Fläche eine mindestens gleich hohe Rendite zu erzielen.

Einflussfaktoren bei der Umbauentscheidung

Schematische Darstellung der Einflussfaktoren in der Umnutzungsentscheidung
Quelle: Credit Suisse

Umnutzung zu Schulen als attraktive Lösung

Neben der Umnutzung zu Wohnungen ist auch die Umnutzung zu Schulraum eine zunehmend beobachtete Variante bei andauernden Leerständen. Der Umbau zu Schulräumen ist nicht nur baulich deutlich weniger aufwendig, auch die Umbauzeit ist kürzer als bei Wohnungen. Darüber hinaus sind Schulen in der Regel attraktive Mieter mit eher langfristiger Perspektive und niedrigem Ausfallrisiko.

Trotz Potenzial dürfte die Zahl der Umnutzungen bescheiden bleiben

In der Schweiz gehören Bern und Zürich zu den Vorreitern der Umwandlungen von Büro zu Wohnen. Übergreifend betrachtet sind Umnutzungen schweizweit aber noch recht selten. Das erklärt sich weniger durch bauliche Hindernisse als vielmehr durch die oft unzureichende Rentabilität, die auf die hohen Umbaukosten einerseits und die niedrige Mietdifferenz zwischen Wohnen und Büro andererseits zurückgeht. Angesichts der stark gestiegenen Preise für Rohstoffe und Baumaterialen und des zunehmenden Gewichts von Nachhaltigkeitsbetrachtungen gewinnt die Frage, ob sich die Sanierung eines Bestandsobjekts im Vergleich zu Abriss und Neubau lohnt, jedoch nun zusätzlich an Bedeutung.

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